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Pulverlacke für eine keimfreie Zone


Pulverlacke mit antimikrobieller Wirkung sind gefragt. Wie wirken sie? Und wo werden sie eingesetzt? Dr. Christoph Schumacher, Head of Development Powder Coatings von der Karl Bubenhofer AG, stellt sich den Fragen im Interview.

Seit wann gibt es Pulverlacke mit antimikrobieller Wirkung?

„Antimikrobiell“ bedeutet ja, dass Mikroorganismen, wie zum Beispiel Bakterien, Viren, Schimmel und Pilze, getötet oder ihr Wachstum beziehungsweise die Ausbreitung gehemmt werden. Lacke mit solchen Eigenschaften sind schon seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt. Unser Unternehmen bietet seit etwa 15 Jahren Pulverlacke in diesem Bereich an.

Wann haben Sie erstmals von diesen Pulverlacken gehört?

Ich hatte mich bereits im Rahmen meiner Doktorarbeit unter anderem mit Kunststoffen mit antimikrobiellen Eigenschaften beschäftigt. Diese wurden beispielsweise zur Herstellung von Medikamentenverpackungen eingesetzt, aber auch zur Produktion von Spritzgussteilen wie Sitzschalen oder Kunststofffasern für Textilien. Und eben auch für spezielle Beschichtungen. Als ich vor etwa sieben Jahren in die Pulverlackbranche eingestiegen bin, waren antimikrobiell wirkende Lacke jedenfalls omnipräsent.

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Es gibt ja mehrere Möglichkeiten, Lacke mit antimikrobiellen Eigenschaften zu versehen. Welches sind die gängigsten Funktionsprinzipien?

Die einfachste Option ist, einen antimikrobiellen Wirkstoff in den Lack einzubetten. Er wird aktiv, wenn sich Mikroorganismen auf der Oberfläche vermehren wollen. Dies ist besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit, Wärme und entsprechendem Nährboden der Fall. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Materialien einzubinden, die mit Sauerstoff oder durch die Einwirkung von Licht auf die Oberfläche das Wachstum der Mikroorganismen hemmen oder sie direkt abtöten. Der Nachteil: Bei Abwesenheit von Licht setzt die Wirkung aus. Deshalb enthalten die uns bekannten antimikrobiellen Pulverlacke stets Wirkstoffe, die aktiv über die Oberfläche abgegeben werden, und zwar unabhängig von der Lichteinwirkung. Hierzu zählen zum Beispiel Silberionen. Ähnliche Effekte lassen sich auch mit Zink und Kupfer erzielen. Auch diese Metalle werden in Lacken eingesetzt.



Rechtlich gesehen handelt es sich bei antimikrobiell wirkenden Lacken um sogenannte Biozidprodukte, und diese unterliegen sehr strengen europäischen Gesetzen und Prüfverfahren, bevor sie auf den Markt kommen.




Lässt die Wirkung durch die häufige Reinigung nicht mit der Zeit nach?

Die Lacke sind so beschaffen, dass sie über sehr lange Zeiträume Wirkstoff freisetzen können. Dazu sind sie mit einem ausreichend großen Wirkstoffreservoir ausgestattet. Selbst aggressive und keimtötende Desinfektionsmittel und häufige Reinigungszyklen mindern die Effektivität und Wirkungsdauer nicht.

Machen diese Wirkstoffe auch Viren unschädlich?

Ja, Studien haben gezeigt, dass wirkstoffhaltige Lacke auch Viren unschädlich machen. Klar ist allerdings: Nicht jeder antimikrobielle Wirkstoff hemmt jeden Mikroorganismus gleichermaßen effektiv. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Viren anders vermehren als Bakterien. Sie benötigen dafür Menschen oder Tiere als Wirt. Entscheidend ist doch aber die Frage, ob eine Krankheit überhaupt durch Oberflächenkontakt übertragen wird. Die Hauptübertragungswege beim Coronavirus sind zum Beispiel Tröpfchen in der Luft, nicht Oberflächen. Daher finde ich Werbeaktionen, die speziell auf die Erfolge bei Coronaviren abzielen, wenig zielführend. Nichtsdestotrotz hat die Pandemie die Nachfrage nach antimikrobiell wirksamen Lacken nach oben getrieben.

Womit wir bei den Anwendungen wären. Wo werden antimikrobielle Lacke eingesetzt?

Das primäre Anwendungsfeld ist der Innenbereich, und zwar im öffentlichen Verkehr sowie in medizinischen und sanitären Einrichtungen. In Bussen und Bahnen bieten sich beispielsweise lackierte Haltestangen an, generell alle Oberflächen mit häufigem Hautkontakt. Im medizinischen Bereich sorgen lackgeschützte Oberflächen von Mobiliar und Behandlungsgeräten für eine erhöhte Hygiene und Sicherheit. So gesehen sind solche Lacke gerade für die Gesundheitsbranche attraktiv. Tatsächlich ist das Interesse an mikrobiell wirkenden Lacken im Laufe der Zeit ständig gewachsen.


 
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Selbst aggressive und keimtötende Desinfektionsmittel und häufige Reinigungszyklen mindern die Effektivität und Wirkungsdauer nicht.
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Wie schätzen Sie das Entwicklungspotenzial dieser Lacke ein?

Prinzipiell gibt es immer Möglichkeiten, Produkte weiter zu verbessern. Etwa, indem wir Wirkstoffe einsetzen, die zum Beispiel noch besser verträglich für Mensch und Umwelt sind. Auch Universitäten und Fachhochschulen haben die Chancen von antimikrobiell wirkenden Beschichtungen erkannt und intensivieren die Forschung in diesem Gebiet. Im Vordergrund stehen dabei neuartige Materialien und das Verständnis für Wirkungsmechanismen. Es ist allerdings schwierig, diese zum Teil sehr innovativen Konzepte marktfähig zu machen.



Das ausführliche Interview finden Sie in der 20. Ausgabe des Wir Sind Farbe-Magazins.